Doppelhausurteil
BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000-4C12.98-
(Unser Kommentar)
1.
Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs.2 BauNVO ist
eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, daß zwei Gebäude auf
benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen
Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden.
2.
Das Erfordernis der baulichen Einheit ist nur
erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und
abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. lnsoweit ist die
planerische Festsetzung von Doppelhäusern in der offenen Bauweise
nachbarschützend.
3.
Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das
andere so stark versetzt wird, daß es den Rahmen einer wechselseitigen
Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus
vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst.
Aus den Gründen:
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der
Rücknahme einer dem Kläger erteilten und von den Beigeladenen
angegriffenen Baugenehmigung des Beklagten. Die Beigeladenen sind
Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sie ein 1971 genehmigtes
zweigeschossiges, zur Straße hin traufenständiges, 9 m breites
und 8 m tiefes Einfamilienhaus errichtet haben. Das Haus steht ohne
seitlichen Grenzabstand unmittelbar an der Grenze zum südöstlichen
Nachbargrundstück des Klägers, das zunächst unbebaut blieb.
Beide Grundstücke waren im Bebauungsplan von 1969
als Dorfgebiet mit zweigeschossiger offener Bauweise ausgewiesen. Die
überbaubare Grundstücksfläche wurde durch Baugrenzen festgelegt. Der
Abstand zwischen der vorderen und der hinteren Baugrenze betrug
12 m. Die Baufenster auf den beiden Grundstücken reichten
unmittelbar an die gemeinsame Grundstücksgrenze; das Baufenster auf dem
Grundstück des Klägers war jedoch um 3 m nach Südwesten
versetzt. Im Bebauungsplan von 1983 wird für beide Grundstücke - bei
im Übrigen gleichbleibenden Festsetzungen – offene Bauweise mit der
Maßgabe, daß nur Einzel- und Doppelhäuser zulässig sind, festgesetzt
und der Abstand zwischen der vorderen und der hinteren Baugrenze auf
13 m erweitert. Im Juli 1992 erteilte der Beklagte dem Kläger die
Baugenehmigung für ein zweigeschossiges Zweifamilienhaus, das die
zulässige Gebäudetiefe von 13 m ausschöpft und grenzständig zum
Grundstück der Beigeladenen, um 3 m rückwärtig (gartenseitig)
versetzt an das Wohnhaus der Beigeladenen angebaut werden soll. Danach
ergibt sich für das Bauvorhaben des Klägers eine Anbautiefe von
5 m und ein rückwärtiger anbaufreier Gebäudevorsprung von etwa
8 m an der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Die Beigeladenen legten
Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Daraufhin nahm der Beklagte
die Baugenehmigung mit Bescheid vom 9. März 1993 zurück.
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II.
1.
Nach § 22 Abs.2 Satz 1 BauNVO werden in der offenen
Bauweise die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser,
Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Ein Doppelhaus im Sinne dieser
Vorschrift ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, daß zwei
Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der
gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden
(vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 11. März 1991- BVerwG 4 B
4.91-Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr.2).
1.1
Im System der offenen Bauweise gewinnt der Begriff
des Doppelhauses seine planungsrechtliche Bedeutung dadurch, daß die
bauliche Anlage auf zwei Nachbargrundstücken errichtet wird. Die
Festsetzung der offenen Bauweise betrifft allein die Anordnung der
Gebäude auf einem Baugrundstück im Verhältnis zu den seitlichen
Grenzen der Nachbargrundstücke. Doppelhäuser (und Hausgruppen), die
auf verschiedenen Grundstücken errichtet werden, zeichnen sich gerade
dadurch aus, daß sie gemeinsame Grundstücksgrenzen ohne seitlichen
Grenzabstand überwinden. Sie erscheinen daher in der offenen Bauweise
zunächst als systemwidrig. Bauplanungsrechtlich werfen sie die Frage
auf, ob sie gleichwohl in der offenen Bauweise zulässig sein sollen.
Diese Frage hat der Verordnungsgeber in § 22 Abs.2 BauNVO bejaht. Darin
liegt eine "Modifikation" der offenen Bauweise, die dem
Begriff des Doppelhauses (und der Hausgruppe) eine eigenständige, das
Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze überwindende
Bedeutung verleiht (vgl. im. Ergebnis ebenso OVG Rh.- Pf., NVwZ 1987,
145; NdsOVG, NVwZ-RR 1996, 489; HessVGH, Hessische Städte und
Gemeindezeitung 1999, 149).
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1.2
Nach § 22 Abs.2 Satz 1 BauNVO werden in der offenen
Bauweise "die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand" als
Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Gebäude im
Sinne dieser Vorschrift ist das Doppelhaus als bauliche Einheit; denn
nur als Gesamtgebäude wird es "mit seitlichem Grenzabstand",
d.h. mit einem Grenzabstand vor den äußeren Seitenwänden errichtet.
Ein Doppelhaus entsteht deshalb nur dann, wenn zwei Gebäude derart
zusammengebaut werden, daß sie einen Gesamtbaukörper bilden. Das
bestätigt § 22 Abs.2 Satz 2 BauNVO, der das Doppelhaus als
"Hausform" bezeichnet (vgl. auch König, in: König/Roeser/Stock,
BauNVO, 1.Aufl. 1999, Rn.13, 16 zu §22). Nicht erforderlich ist, daß
die Doppelhaushälften gleichzeitig oder deckungsgleich
(spiegelbildlich) errichtet werden. Das Erfordernis einer baulichen
Einheit im Sinne eines Gesamtbaukörpers schließt auch nicht aus. daß
die ein Doppelhaus bildenden Gebäude an der gemeinsamen
Grundstücksgrenze zueinander versetzt oder gestaffelt aneinander gebaut
werden.
Kein Doppelhaus bilden zwei Gebäude, die sich
zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei
selbständige Baukörper erscheinen. Dem Berufungsgericht ist darin
zuzustimmen, daß das Bauvorhaben des Klägers und das Wohnhaus der
Beigeladenen nicht zwei derart verselbständigte, praktisch allseitig
freistehende Baukörper sind. Die beiden Gebäude erscheinen ungeachtet
ihrer straßenseitig um 3 m versetzten Anordnung und ihrer
unterschiedlichen Gebäudetiefe noch als ein die gemeinsame
Grundstücksgrenze überbrückender, einheitlicher Baukörper, da sie
grenzständig über eine Seitenlänge von 5 m aneinander gebaut
werden sollen. Damit allein ist jedoch der bauplanungsrechtliche Begriff
des Doppelhauses noch nicht erfüllt.
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1.3
Die bauplanungsrechtliche Festsetzung des
Doppelhauses verlangt ferner, daß die beiden "Haushälften"
in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut
werden. lnsoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht
nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element. Dies hat
das Berufungsgericht nicht erkannt.
In dem System der offenen Bauweise, das durch
seitliche Grenzabstände zu den benachbarten Grundstücken
gekennzeichnet ist, ordnet sich ein aus zwei Gebäuden zusammengefügter
Baukörper nur ein und kann somit als Doppelhaus gelten, wenn das
Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf der Grundlage
der Gegenseitigkeit überwunden wird. Ein einseitiger Grenzanbau ist in
der offenen Bauweise unzulässig. Die Zulässigkeit einer Bebauung als
Doppelhaus setzt daher in Gebieten der offenen Bauweise den
wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen
Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten
Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des
gegenseitigen Interessenausgleichs ein: Ihre Baufreiheit wird zugleich
erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird
die bauliche Nutzbarkeit der (häufig schmalen) Grundstücke erhöht.
Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen
Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen,
"erkauft". Diese enge Wechselbeziehung, die jeden
Grundeigentümer zugleich begünstigt und belastet, ist Ausdruck einer
planungsrechtlichen Konzeption. Sie ist aus städtebaulichen Gründen
(Steuerung der Bebauungsdichte, Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes)
gewollt und begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht
einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf.
Damit wird nicht gefordert, daß die ein Doppelhaus
bildenden Gebäude beständig oder im Wesentlichen deckungsgleich
aneinander gebaut werden müssen. Die beiden "Haushälften"
können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet
werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinander gebaut
sein. Insoweit setzt die Doppelhaus-Festsetzung der Baufreiheit
Schranken: In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze
zusammengebaut sein müssen, läßt sich jedoch weder abstrakt-generell
noch mathematisch-prozentual festlegen. Maßgeblich sind die Umstände
des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude
gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt
wird, daß sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer
wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines
einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen
Bodennutzungskonflikt auslöst.
Nicht zu folgen ist dagegen der weitergehenden
Ansicht der Revision, aus den "städtebaugeschichtlichen Wurzeln
des Doppelhauses" folge, daß die Hälften eines Doppelhauses (oder
die Elemente einer Hausgruppe) "in ihren städtebaulich. relevanten
Merkmalen - Überdeckung der Giebelflächen, Kubatur, Traufen, Dachform,
Dachneigung und Firsthöhen, Grundfläche und- Bautiefe - einander im
Wesentlichen entsprechen müßten". Ähnliche Auffassungen finden
sich auch im Schrifttum (vgl. Boeddinghaus, BauR 1998, 15 ff.; ders.,
ZfBR 1998, 16 ff.; Grabe, BauR 1991, 530 ff.). Hierzu wird auf
baurechtliche Vorschriften verwiesen, die aufgrund von Art. 4 § 3 im
Preuß. Wohnungsbaugesetzes vom 28. März 1918 (Pr.GS S: 23)
Doppelhäuser in der offenen Bauweise nur zuließen, "falls die
Verdeckung aller Brandmauern sichergestellt wird" (§ 8 der
BaupolizeiVO für den Regierungsbezirk Düsseldorf vom l. April 1939),
oder vorschrieben, daß Doppelhäuser (und Hausgruppen) u. a. nur
zulässig seien, wenn sie "in ihrer äußeren Erscheinung,
namentlich in Hauptgesimshöhe, Dachumriß, Baumassenverteilung .und in
ihrer Beziehung zur Umgebung übereinstimmte" (§ 8 Abs. 1
Satz 4 der BauO für die Hansestadt Köln vom 26. Januar 1929 i. d. F.
vom 1 Dezember 1955). Aus diesen und vergleichbaren Vorschriften
wird insbesondere abgeleitet, der Schutzzweck "Verhinderung
freistehender Brandgiebel" sei eindeutig ein städtebaulicher
Belang und als solcher § 22 BauNVO immanent (so Grabe, a. a. O., S.
534).
Diese historische Interpretation des
Doppelhaus-Begriffs übersieht, daß die Baupolizeiverordnungen
früheren Rechts rechtssystematisch nicht zwischen bauordnungs- und
bauplanungsrechtlichen Zielsetzungen unterschieden. Die vorgenannten
Vorschriften über die Vermeidung von Brandgiebeln und die einheitliche
äußere Gestaltung von Doppelhäusern waren bauordnungsrechtlicher
Natur: Sie dienten vor allem der Abwehr von Verunstaltungen und der
positiven Baugestaltungspflege. wie sie heute in örtlichen
Bauvorschriften als Satzung vorgeschrieben werden kann. Darunter fallen
typischerweise Vorschriften über die Höhe und Breite von Gebäuden ,
die traufen- oder giebelständige Anordnung, First-, Sockel- und
Traufhöhen, Farbe und Gliederung von Fassaden, der Drempel, Dächer und
Dachaufbauten. Bauordnungsrechtliche Vorschriften dieser Art sind nicht
geeignet, den bauplanungsrechtlichen Gehalt des "Doppelhauses"
als eine der in der offenen Bauweise zulässigen Hausformen zu erfassen.
In diesem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die
Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude
(noch) ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des
wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine
spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes
verfolgt wird.
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l.4
Vor diesem rechtlichen Hintergrund und auf der
Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, kann
der erkennende Senat entscheiden, daß das Bauvorhaben des Klägers mit
dem vorhandenen Wohngebäude der Beigeladenen kein Doppelhaus im Sinne
von § 22 Abs.2 Satz 1 BauNVO bildet. Das umstrittene Bauvorhaben hält
den in der offenen Bauweise vorgeschriebenen seitlichen Grenzabstand zum
Grundstück der Beigeladenen nicht ein. Der dem Kläger genehmigte
Baukörper ist zwar über eine Länge von 5 m an das Wohnhaus der
Beigeladenen angebaut, verspringt jedoch dahinter um weitere 8 m in
den rückwärtigen Gartenbereich hinein. Dieser Versprung ist in diesem
Ausmaß durch den die Doppelhaus-Festsetzung kennzeichnenden
wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen
Grundstücksgrenze nicht mehr gedeckt. Er riegelt die Freifläche hinter
dem Wohnhaus der Beigeladenen wandartig vom Grundstück des Klägers ab
und vermittelt damit den Eindruck eines massiven einseitigen
Grenzanbaus. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß das Wohnhaus der
Beigeladenen 4 m vor der rückwärtigen Baugrenze steht, während
das Bauvorhaben des Klägers an die - inzwischen um 1 m
nach hinten verschobene - rückwärtige Baugrenze heranreicht und damit
die überbaubare Fläche voll ausschöpft. Bauherren, die, wie die
Beigeladenen, in Ausnutzung einer Doppelhaus-Festsetzung einen Grenzbau
errichten, ohne daß auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude zeitgleich
angebaut wird, können zwar nicht erwarten, daß die später errichtete
Doppelhaushälfte die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben
eingeschränkten Umfang wie die zuerst gebaute Haushälfte ausnutzt.
Insoweit bleibt Raum für eine versetzte Anordnung der beiden
Haushälften, auch über das hinaus, was der Bebauungsplan in Gestalt
versetzter Baulinien oder -grenzen ohnehin an Staffelung mit sich
bringt. Sie tragen - sozusagen als planerische Vorbelastung - das
Risiko, daß die spätere Nachbarbebauung den planerisch eröffneten
Freiraum stärker ausschöpft als sie selbst. Gleichwohl muß sich der
spätere Bau an der Grenzstellung des früheren orientieren und in eine
"harmonische Beziehung" zu diesem treten. Der frühere
Grenzbau wirkt daher für den späteren als maßstabsbildende
"Vorbelastung". Das kann im Einzelfall für den späteren Bau
bedeuten, daß er die überbaubare Grundstücksfläche nicht voll
ausschöpfen darf. So liegt es hier.
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2.
Die auf den Widerspruch der Beigeladenen hin erfolgte
Rücknahme der dem Kläger erteilten Baugenehmigung ist gemäß § 48
Abs. 1 Satz 1, § 50 VwVfG zu Recht erfolgt.
Der gegen die Baugenehmigung erhobene Widerspruch der
Beigeladenen war zulässig und begründet; denn die angegriffene
Baugenehmigung war rechtswidrig und verletzte die Beigeladenen in ihren
Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO). Die Doppelhaus-Festsetzung in der
offenen Bauweise gemäß § 22 Abs.2 Satz 1 BauNVO ist
nachbarschützend. Der bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf
dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und
soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen - benachbarten -
Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks
öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er
grundsätzlich deren Beachtung auch im Verhältnis zu den anderen
Eigentümern verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - BVerwG
4C 13.94 - BVerwGE 101, 364 <375>; Urteil vom 16. September 1993 -
BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 251 <155>; Urteil vom 11. Mai 1989
- BVerwG 4C 1.88 - BVerwGE 82, 61 <74f.>). Der wechselseitige
Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, der den
Begriff des Doppelhauses in der offenen Bauweise prägt, begründet wie
dargelegt ein derartiges nachbarliches Austauschverhältnis. Die
Beigeladenen durften sich daher gegen das Bauvorhaben des Klägers mit
dem Einwand zur Wehr setzen, dieses überschreite durch seinen
rückwärtigen Versprung von 8 m den Rahmen des Verträglichen. Bei
dieser Rechtslage ist für einen Rückgriff auf das in § 15 Abs. 1 Satz
1 BauNVO verankerte Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, das die
Revision und der Oberbundesanwalt ergänzend in Betracht ziehen, kein
Raum (zum Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vgl. im
Übrigen BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 4C 3.94 -Buchholz
406.12 § 15 BauNVO Nr. 24 = ZfBR 1995, 212).
Veröffentlicht im BBauBI Heft 8/2000
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Unser Kommentar:
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom
24. Februar 2000 den Begriff "Doppelhaus" rechtlich definiert.
Dabei stellte es zum einen fest, daß durch ein Doppelhaus immer
eine Grundstücksgrenze verlaufen müsse. Zum anderen regelt das Urteil
auch das Aussehen von Doppelhäusern.
Doppelhäuser entstehen, wenn zwei Gebäude auf
verschiedenen Grundstücken so aneinander gebaut werden, daß dabei eine
bauliche Einheit entsteht. In der Zeit, in der unser Baurecht
entstand, war dies keine Besonderheit und mußte deshalb auch nicht
erklärt werden. Durch die klassischen Doppelhäuser verlief schon immer
eine Grundstücksgrenze, auf der eine gemeinsame Wand stand, oft auch
Kommunwand genannt (lat. kommun = gemeinschaftlich, gemein). Heute
werden die Trennwände zweischalig gebaut, d. h. es entstehen zwei
Wände. Die Gründe dafür liegen zunächst in den gestiegenen
Anforderungen des Schallschutzes. Wenn aber schon zwei Wände
nebeneinander errichtet werden müssen, beflügelte dies natürlich auch
die Kreativität mancher Planer. So können Doppelhäuser auch versetzt
angeordnet werden. Das Maß dafür haben die Richter des
Bundesverwaltungsgerichts in der Begründung zu beschreiben versucht.
Auch gestalterische Abweichungen dürfen die beiden
"Haushälften" haben. Sie müssen sich nicht, wie früher oft
üblich, wie Zwillinge gleichen. Dies zu beschreiben dürfte den
Richtern am wenigsten befriedigend gelungen sein und wird künftig
sicherlich zu neuen Auseinandersetzungen führen, denn Spezialisten für
die Mißachtung des gesunden Menschenverstandes gibt es leider zu viele.
Die drei Bedingungen – (1.) gemeinsame
Grundstücksgrenze durch das Haus, (2.) zu einem wesentlichen Teil
aneinander gebaut und schließlich (3.) Ähnlichkeit in der Gestaltung
– wurden nicht immer und überall so gehandhabt. Auch nicht nach dem
Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts in der selben Sache am 11. März
1991. Es ist deshalb zu begrüßen, daß jetzt eine Regelung für mehr
Klarheit sorgt. Endgültige Gewißheit gibt es sowieso niemals. Was aber
sind Gebäude ohne gemeinsame durchlaufende Grundstücksgrenze, welche
trotzdem so aussehen, wie Doppelhäuser? – Nichts anderes als
Mehrfamilienhäuser!
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